"Microsoft hostet also Terroristen" und andere vergnügliche Zitate – Vorbereitungen zum nationalen IT-Gipfel 2012

Nein, nein, nein! Ich behaupte das nicht! Obiges Zitat stammt nicht von mir! Aber gesagt wurde es trotzdem, gestern, bei der Konferenz „Sicheres Cloud Computing“ in Vorbereitung für den Nationalen IT-Gipfel 2012. Und zwar öffentlich, auf der Bühne! 100 Zeugen! Aber von Anfang an…

Bonn, 17.September 2012, Hauptgebäude der Telekom. Großes Atrium. Riesiger Flatscreen an der Wand. Wichtig aussehende Menschen mit Coffee to go. Sogar zum Mitnehmen!  Und: Handys, Handys, Handys. Mittendrin ich (Handy kaputt). Bin vom BITKOM eingeladen worden, teilzunehmen an der Konferenz „Sicheres Cloud Computing“ in Vorbereitung auf den nationalen IT-Gipfel 2012. Großer Konferenzraum. Klimaanlage bläst beständig 17 Grad in den Raum. Alles dezent in schreiendes Magenta getaucht. Auf den Konferenztischen liegt an jedem Platz ein iPhone. Donnerwetter, das sind mal Giveaways! Bin beeindruckt. Aber der Aufdruck „Eigentum der Firma…“ lässt mich misstrauisch werden. Ich kann auch nicht damit telefonieren. Kann man das mit einem iPhone überhaupt? Ich kenn mich da nicht so aus. Immerhin, die Agenda des Tages kann ich mit dem Ding anschauen. Schick, das spart Papier!

Dann geht’s los. Ein Herr von der Telekom begrüßt uns und raubt gleich alle Illusionen: die iPhones sind keine Gastgeschenke, die werden wieder eingesammelt am Ende des Tages. Ich also immer noch mit kaputtem Handy. Die iPhones haben aber eine besondere Funktion. Während der Veranstaltung werden in Einleitung zu den Vorträgen immer Fragen gestellt, zu denen das Publikum seine Stimme abgeben soll. Fühle mich wie ein Publikumsjoker bei Günter Jauch. Die Ergebnisse werden dann per WLAN ins Rechenzentrum der Telekom übermittelt, dort von einem Super-MUC ausgewertet, die Statistiken von mehreren Doktoren der Mathematik noch interpretiert und nach 20 Sekunden bekommt man das Ergebnis auf der Leinwand präsentiert. Wunder der Technik! Da werden dann solche Fragen gestellt wie „Finden Sie Datensicherheit beim Cloud Computing wichtig oder nicht?“. Und dann kommt der Clou: die große Mehrzeit des zu 98,14% aus IT-Sicherheitsfachleuten bestehenden Publikums antwortet ‚ja‘! Und als ob er’s gewusst hätte, geht der folgende Redner dann in seinem Vortrag sogar auf dieses gerade erst live ermittelte Ergebnis ein! Man ahnt: hier sind Fachleute am Werk.

Zum Inhalt der Vorträge gibt’s nicht so viel berauschend Neues. Ein Herr von der Telekom empfiehlt die Telekom-Cloud, ein Herr vom BSI empfiehlt den BSI-Grundschutz, ein Herr vom Fraunhofer-Institut empfiehlt die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut und der bei solchen Vortragsversanstaltungen zur IT-Sicherheit unvermeidliche Michael Kranawetter von Microsoft stellt fest, dass es in seinem Vortrag ganz allgemein um die Cloud ginge und nicht um Microsoft. Die gefühlt 800-malige Erwähnung seines Arbeitgebers in seinem Vortrag ist daher reiner Zufall. Immerhin: auch der Name Google fällt, und das ohne sichtliche Anzeichen von Blutdruck oder Adrenalinausstoß. Das nenne ich Selbstbeherrschung, das habe ich bei anderen Microsoft-Angestellten schon ganz anders erlebt. Schön ist auch, dass Herr Kranawetter seinen Geschäftsführer Severin Löffler zitiert, der letztens auf dem Diskussionsforum Netzpolitik der CDU von der „Mär vom Patriot Act“ sprach. Der US Patriot Act stellt bekanntlich sicher, dass US-Unternehmen den amerikanischen Behörden bei vorliegendem Terrorverdacht Zugriff auf gespeicherte Daten von Kunden gewähren müssen. Solche Anträge seien bislang bei Microsoft nur ganz vereinzelt eingegangen. Dieses Zitat veranlasste Johannes Landvogt vom Bundesbeauftragten für Datenschutz zu dem süffisanten Kommentar, dass Microsoft in seiner Cloud also ganz vereinzelt Terroristen hoste, womit er die Lacher auf seiner Seite hatte.

Ich hätte dazu gerne noch gesagt, dass das ja sicher richtig ist mit dem „nur bei Terrorverdacht“, aber dass das trotzdem heißt, dass zumindest Vorkehrungen getroffen sein müssen, dass Dritte die Daten einsehen können. Und wo Gelegenheit ist, da sind auch Diebe. Und welches Kriterien eine amerikanische Behörde anlegt, um Terrorverdacht zu hegen, ist mir auch unklar. Reicht es, wenn bekannt wird, dass ich meinen Kaffee gerne aus Arabica-Bohnen geröstet sehe. Kann man mich dann für einen Islamisten halten? Wenn Mitt Romney die nächste Präsidentenwahl gewinnt, vielleicht schon, wer weiß das schon?

All das hätte ich gerne noch angemerkt, aber das Mikro war dauernd woanders. Und ich konnte ja auch nicht anrufen und um das Mikro bitten. Mein Handy ist doch kaputt!

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